Glossar Schweizer Rechtssprache
Die wichtigsten Rechtsbegriffe aus dem Schweizer Recht verständlich erklärt
A
Acte de défaut de biens
Aktiengesellschaft (AG)
Kapitalgesellschaft mit in Aktien zerlegtem Grundkapital (mind. CHF 100'000). Die Aktionäre haften nur bis zur Höhe ihrer Einlage. Die AG ist die häufigste Rechtsform für grössere Unternehmen in der Schweiz.
Appellationsinstanz
Die nächsthöhere Gerichtsinstanz, an die ein Urteil weitergezogen werden kann. Im Kanton ist dies typischerweise das Obergericht oder Kantonsgericht.
B
Berufung
Ordentliches Rechtsmittel gegen erstinstanzliche Endentscheide. Die Berufungsfrist beträgt 30 Tage ab Zustellung des begründeten Entscheids. Die Berufung ermöglicht eine vollständige Überprüfung in Tat- und Rechtsfragen.
Beschwerde
Rechtsmittel gegen prozessleitende Verfügungen und bestimmte Endentscheide. Die Beschwerdefrist beträgt in der Regel 10 Tage.
Betreibung
Schweizer Verfahren zur Zwangsvollstreckung von Geldforderungen. Die Betreibung beginnt mit dem Zahlungsbefehl und kann zur Pfändung oder zum Konkurs führen.
Betreibungsamt
Kantonale oder kommunale Behörde, die für die Durchführung von Betreibungen und Konkursen zuständig ist. Jede Gemeinde oder jeder Bezirk hat ein Betreibungsamt.
Bundesgericht
Das oberste Gericht der Schweiz. Es entscheidet als letzte Instanz in Zivil-, Straf- und öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten. Die Beschwerde ans Bundesgericht ist an strenge Voraussetzungen geknüpft.
E
Einsprache
Rechtsbehelf gegen Verfügungen im Verwaltungsverfahren. Die Einsprache wird bei der gleichen Behörde eingereicht, die den Entscheid gefällt hat.
F
Friedensrichter
In vielen Kantonen zuständig für das obligatorische Schlichtungsverfahren vor einer Zivilklage. Der Friedensrichter versucht eine gütliche Einigung zwischen den Parteien herbeizuführen.
Frist
Zeitraum, innerhalb dessen eine Prozesshandlung vorgenommen werden muss. Die ZPO unterscheidet zwischen gesetzlichen (z.B. Rechtsmittelfristen) und gerichtlichen Fristen.
G
Gerichtsferien
Zeiträume, in denen gesetzliche Fristen stillstehen: Ostern (7 Tage vor bis 7 Tage nach), Sommer (15. Juli bis 15. August), Winter (18. Dezember bis 2. Januar). Ausnahme: Summarverfahren und Schlichtungsverfahren.
Gerichtskosten
Die vom Gericht erhobenen Gebühren für ein Verfahren. Sie umfassen Entscheidgebühr, Schreibgebühren und Barauslagen. Die Höhe richtet sich nach dem Streitwert und dem kantonalen Gebührenreglement.
GmbH (Gesellschaft mit beschränkter Haftung)
Kapitalgesellschaft mit einem in Stammanteile zerlegten Stammkapital (mind. CHF 20'000). Beliebte Rechtsform für KMU in der Schweiz. Die Gesellschafter haften nur mit ihrer Einlage.
K
Klagebewilligung
Bescheinigung der Schlichtungsbehörde, dass ein Schlichtungsverfahren durchgeführt wurde und keine Einigung erzielt werden konnte. Sie berechtigt zur Einreichung einer Klage innert 3 Monaten.
Konkurs
Gesamtvollstreckungsverfahren, bei dem das gesamte Vermögen eines Schuldners verwertet und an alle Gläubiger verteilt wird. Nur bei im Handelsregister eingetragenen Schuldnern oder auf Antrag.
Kostenvorschuss
Betrag, den die klagende Partei zu Beginn eines Verfahrens beim Gericht einzahlen muss. Die Höhe richtet sich nach dem voraussichtlichen Verfahrensaufwand und dem Streitwert.
Kündigung
Einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung zur Beendigung eines Dauerschuldverhältnisses. Für die Wirksamkeit ist die rechtzeitige Zustellung beim Empfänger entscheidend.
M
Mahnung
Aufforderung an den Schuldner, eine fällige Leistung zu erbringen. Die Mahnung setzt den Schuldner in Verzug, sofern nicht bereits ein Verfalltag bestimmt war.
Mehrwertsteuer (MWST)
Indirekte Bundessteuer auf den Konsum von Waren und Dienstleistungen. Steuersätze: Normalsatz 8.1%, reduzierter Satz 2.6% (Lebensmittel, Bücher), Sondersatz 3.8% (Beherbergung).
O
Obligationenrecht (OR)
Fünfter Teil des Schweizerischen Zivilgesetzbuchs (ZGB). Regelt das Vertragsrecht, ausservertragliche Haftung, Handelsrecht und Gesellschaftsrecht. Grundlage für die meisten wirtschaftlichen Rechtsbeziehungen.
Ordentliches Verfahren
Das reguläre Zivilverfahren für Streitwerte über CHF 30'000. Es umfasst Klage, Klageantwort, ev. Replik und Duplik, Beweisverfahren und Urteil.
P
Pfändung
Beschlagnahme von Vermögenswerten des Schuldners zur Befriedigung des Gläubigers. Die Pfändung erfolgt durch das Betreibungsamt nach erfolgloser Betreibung.
Prozesskostenvorschuss
Vorauszahlung der voraussichtlichen Gerichtskosten durch die klagende Partei. Ohne Einzahlung wird das Verfahren nicht eingeleitet.
Prozesskostenrisiko
Das finanzielle Risiko bei einem Zivilprozess. Bei Niederlage trägt die unterlegene Partei die Gerichtskosten sowie die Anwaltskosten beider Parteien (Parteientschädigung). Eine realistische Einschätzung ist vor Prozessbeginn wichtig.
R
Rechtsmittel
Mittel zur Anfechtung gerichtlicher Entscheide. Im Zivilprozess sind dies hauptsächlich Berufung und Beschwerde. Rechtsmittel müssen fristgerecht und formgerecht eingereicht werden.
Rechtsvorschlag
Einspruch des Schuldners gegen einen Zahlungsbefehl. Der Rechtsvorschlag muss innert 10 Tagen beim Betreibungsamt erhoben werden und hemmt die Betreibung. Der Gläubiger muss dann die Forderung gerichtlich durchsetzen.
S
Schlichtungsverfahren
Obligatorisches Verfahren vor einer Schlichtungsbehörde (z.B. Friedensrichter) vor Einreichung einer Zivilklage. Ziel ist eine gütliche Einigung. Bei Scheitern wird eine Klagebewilligung ausgestellt.
Streitwert
Der Wert des Streitgegenstands, ausgedrückt in Franken. Er bestimmt die sachliche Zuständigkeit, die Verfahrensart und die Höhe der Gerichtskosten.
Summarisches Verfahren
Beschleunigtes Verfahren für bestimmte Angelegenheiten wie Rechtsschutz in klaren Fällen, vorsorgliche Massnahmen oder Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Keine Gerichtsferien.
V
Vereinfachtes Verfahren
Verfahren für vermögensrechtliche Streitigkeiten bis CHF 30'000 sowie für bestimmte Streitigkeiten unabhängig vom Streitwert (z.B. Miete, Arbeitsrecht bis CHF 30'000). Weniger formalistisch als das ordentliche Verfahren.
Verjährung
Zeitablauf, nach dem eine Forderung nicht mehr durchgesetzt werden kann. Die wichtigsten Fristen: 10 Jahre (allgemein), 5 Jahre (Miete, Lohn), 3 Jahre (Schadenersatz), 2 Jahre (Kaufvertrag).
Verlustschein
Urkunde, die dem Gläubiger ausgestellt wird, wenn bei einer Pfändung nicht genügend Vermögen vorhanden ist. Der Verlustschein verjährt nach 20 Jahren und gilt als Schuldanerkennung.
Verzug
Zustand des Schuldners, der eine fällige Leistung trotz Mahnung nicht erbringt. Ab Verzugseintritt schuldet der Schuldner Verzugszins (gesetzlich 5% p.a.) und Ersatz des Verzugsschadens.
Verzugszins
Zins, den der Schuldner ab Verzugseintritt schuldet. Der gesetzliche Zinssatz beträgt 5% pro Jahr. Ein höherer Zinssatz kann vertraglich vereinbart werden.
Z
Zahlungsbefehl
Amtliche Aufforderung des Betreibungsamts an den Schuldner, die Forderung innert 20 Tagen zu bezahlen oder Rechtsvorschlag zu erheben. Erster Schritt im Betreibungsverfahren.
ZGB (Zivilgesetzbuch)
Schweizerisches Zivilgesetzbuch. Regelt Personenrecht, Familienrecht, Erbrecht und Sachenrecht. Das Obligationenrecht (OR) gilt als fünfter Teil des ZGB.
ZPO (Zivilprozessordnung)
Schweizerische Zivilprozessordnung. Regelt das Verfahren vor den Zivilgerichten, einschliesslich Fristen, Rechtsmittel, Beweisrecht und Vollstreckung. Seit 2011 schweizweit einheitlich.
Dieses Glossar dient der Orientierung und ersetzt keine Rechtsberatung. Es wird keine Gewähr für Richtigkeit oder Vollständigkeit übernommen.