Glossar Schweizer Rechtssprache

Die wichtigsten Rechtsbegriffe aus dem Schweizer Recht verständlich erklärt

A

Acte de défaut de biens

Aktiengesellschaft (AG)

OR Art. 620 ff.

Kapitalgesellschaft mit in Aktien zerlegtem Grundkapital (mind. CHF 100'000). Die Aktionäre haften nur bis zur Höhe ihrer Einlage. Die AG ist die häufigste Rechtsform für grössere Unternehmen in der Schweiz.

Appellationsinstanz

ZPO Art. 308 ff.

Die nächsthöhere Gerichtsinstanz, an die ein Urteil weitergezogen werden kann. Im Kanton ist dies typischerweise das Obergericht oder Kantonsgericht.

Siehe auch: Berufung, Rechtsmittel

B

Berufung

ZPO Art. 308-327 | Frist berechnen

Ordentliches Rechtsmittel gegen erstinstanzliche Endentscheide. Die Berufungsfrist beträgt 30 Tage ab Zustellung des begründeten Entscheids. Die Berufung ermöglicht eine vollständige Überprüfung in Tat- und Rechtsfragen.

Beispiel: Nach einem Urteil des Bezirksgerichts kann innert 30 Tagen Berufung ans Obergericht erhoben werden.

Beschwerde

ZPO Art. 319-334

Rechtsmittel gegen prozessleitende Verfügungen und bestimmte Endentscheide. Die Beschwerdefrist beträgt in der Regel 10 Tage.

Siehe auch: Berufung

Betreibung

SchKG Art. 38 ff. | Kosten berechnen

Schweizer Verfahren zur Zwangsvollstreckung von Geldforderungen. Die Betreibung beginnt mit dem Zahlungsbefehl und kann zur Pfändung oder zum Konkurs führen.

Ablauf: Betreibungsbegehren → Zahlungsbefehl → Rechtsvorschlag? → Fortsetzung → Pfändung/Konkurs

Betreibungsamt

SchKG Art. 2 ff.

Kantonale oder kommunale Behörde, die für die Durchführung von Betreibungen und Konkursen zuständig ist. Jede Gemeinde oder jeder Bezirk hat ein Betreibungsamt.

Bundesgericht

BGG | Sitz: Lausanne

Das oberste Gericht der Schweiz. Es entscheidet als letzte Instanz in Zivil-, Straf- und öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten. Die Beschwerde ans Bundesgericht ist an strenge Voraussetzungen geknüpft.

E

Einsprache

Diverse Gesetze

Rechtsbehelf gegen Verfügungen im Verwaltungsverfahren. Die Einsprache wird bei der gleichen Behörde eingereicht, die den Entscheid gefällt hat.

F

Friedensrichter

ZPO Art. 197 ff.

In vielen Kantonen zuständig für das obligatorische Schlichtungsverfahren vor einer Zivilklage. Der Friedensrichter versucht eine gütliche Einigung zwischen den Parteien herbeizuführen.

Frist

ZPO Art. 142-149 | Frist berechnen

Zeitraum, innerhalb dessen eine Prozesshandlung vorgenommen werden muss. Die ZPO unterscheidet zwischen gesetzlichen (z.B. Rechtsmittelfristen) und gerichtlichen Fristen.

Wichtig: Fristen, die in Tagen ausgedrückt sind, beginnen am Folgetag der Zustellung. Monatsfristen enden am gleichen Tag des Folgemonats.
Siehe auch: Gerichtsferien

G

Gerichtsferien

ZPO Art. 145 | Frist berechnen

Zeiträume, in denen gesetzliche Fristen stillstehen: Ostern (7 Tage vor bis 7 Tage nach), Sommer (15. Juli bis 15. August), Winter (18. Dezember bis 2. Januar). Ausnahme: Summarverfahren und Schlichtungsverfahren.

Gerichtskosten

ZPO Art. 95-111 | Kosten berechnen

Die vom Gericht erhobenen Gebühren für ein Verfahren. Sie umfassen Entscheidgebühr, Schreibgebühren und Barauslagen. Die Höhe richtet sich nach dem Streitwert und dem kantonalen Gebührenreglement.

GmbH (Gesellschaft mit beschränkter Haftung)

OR Art. 772 ff.

Kapitalgesellschaft mit einem in Stammanteile zerlegten Stammkapital (mind. CHF 20'000). Beliebte Rechtsform für KMU in der Schweiz. Die Gesellschafter haften nur mit ihrer Einlage.

K

Klagebewilligung

ZPO Art. 209

Bescheinigung der Schlichtungsbehörde, dass ein Schlichtungsverfahren durchgeführt wurde und keine Einigung erzielt werden konnte. Sie berechtigt zur Einreichung einer Klage innert 3 Monaten.

Konkurs

SchKG Art. 159 ff.

Gesamtvollstreckungsverfahren, bei dem das gesamte Vermögen eines Schuldners verwertet und an alle Gläubiger verteilt wird. Nur bei im Handelsregister eingetragenen Schuldnern oder auf Antrag.

Siehe auch: Betreibung

Kostenvorschuss

ZPO Art. 98

Betrag, den die klagende Partei zu Beginn eines Verfahrens beim Gericht einzahlen muss. Die Höhe richtet sich nach dem voraussichtlichen Verfahrensaufwand und dem Streitwert.

Kündigung

OR Art. 335 ff. (Arbeit), OR Art. 266 ff. (Miete) | Frist berechnen

Einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung zur Beendigung eines Dauerschuldverhältnisses. Für die Wirksamkeit ist die rechtzeitige Zustellung beim Empfänger entscheidend.

M

Mahnung

OR Art. 102 | Kosten berechnen

Aufforderung an den Schuldner, eine fällige Leistung zu erbringen. Die Mahnung setzt den Schuldner in Verzug, sofern nicht bereits ein Verfalltag bestimmt war.

Siehe auch: Verzug

Mehrwertsteuer (MWST)

Indirekte Bundessteuer auf den Konsum von Waren und Dienstleistungen. Steuersätze: Normalsatz 8.1%, reduzierter Satz 2.6% (Lebensmittel, Bücher), Sondersatz 3.8% (Beherbergung).

O

Obligationenrecht (OR)

SR 220

Fünfter Teil des Schweizerischen Zivilgesetzbuchs (ZGB). Regelt das Vertragsrecht, ausservertragliche Haftung, Handelsrecht und Gesellschaftsrecht. Grundlage für die meisten wirtschaftlichen Rechtsbeziehungen.

Ordentliches Verfahren

ZPO Art. 219 ff.

Das reguläre Zivilverfahren für Streitwerte über CHF 30'000. Es umfasst Klage, Klageantwort, ev. Replik und Duplik, Beweisverfahren und Urteil.

P

Pfändung

SchKG Art. 89 ff.

Beschlagnahme von Vermögenswerten des Schuldners zur Befriedigung des Gläubigers. Die Pfändung erfolgt durch das Betreibungsamt nach erfolgloser Betreibung.

Siehe auch: Betreibung

Prozesskostenvorschuss

ZPO Art. 98

Vorauszahlung der voraussichtlichen Gerichtskosten durch die klagende Partei. Ohne Einzahlung wird das Verfahren nicht eingeleitet.

Prozesskostenrisiko

ZPO Art. 95, 106 | Risiko berechnen

Das finanzielle Risiko bei einem Zivilprozess. Bei Niederlage trägt die unterlegene Partei die Gerichtskosten sowie die Anwaltskosten beider Parteien (Parteientschädigung). Eine realistische Einschätzung ist vor Prozessbeginn wichtig.

R

Rechtsmittel

ZPO Art. 308 ff.

Mittel zur Anfechtung gerichtlicher Entscheide. Im Zivilprozess sind dies hauptsächlich Berufung und Beschwerde. Rechtsmittel müssen fristgerecht und formgerecht eingereicht werden.

Siehe auch: Berufung, Beschwerde

Rechtsvorschlag

SchKG Art. 74 ff.

Einspruch des Schuldners gegen einen Zahlungsbefehl. Der Rechtsvorschlag muss innert 10 Tagen beim Betreibungsamt erhoben werden und hemmt die Betreibung. Der Gläubiger muss dann die Forderung gerichtlich durchsetzen.

Wichtig: Der Rechtsvorschlag erfordert keine Begründung. Er kann mündlich oder schriftlich erhoben werden.

S

Schlichtungsverfahren

ZPO Art. 197-212

Obligatorisches Verfahren vor einer Schlichtungsbehörde (z.B. Friedensrichter) vor Einreichung einer Zivilklage. Ziel ist eine gütliche Einigung. Bei Scheitern wird eine Klagebewilligung ausgestellt.

Streitwert

ZPO Art. 91 ff. | Kosten berechnen

Der Wert des Streitgegenstands, ausgedrückt in Franken. Er bestimmt die sachliche Zuständigkeit, die Verfahrensart und die Höhe der Gerichtskosten.

Summarisches Verfahren

ZPO Art. 248-270

Beschleunigtes Verfahren für bestimmte Angelegenheiten wie Rechtsschutz in klaren Fällen, vorsorgliche Massnahmen oder Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Keine Gerichtsferien.

V

Vereinfachtes Verfahren

ZPO Art. 243-247

Verfahren für vermögensrechtliche Streitigkeiten bis CHF 30'000 sowie für bestimmte Streitigkeiten unabhängig vom Streitwert (z.B. Miete, Arbeitsrecht bis CHF 30'000). Weniger formalistisch als das ordentliche Verfahren.

Verjährung

OR Art. 127 ff. | Frist berechnen

Zeitablauf, nach dem eine Forderung nicht mehr durchgesetzt werden kann. Die wichtigsten Fristen: 10 Jahre (allgemein), 5 Jahre (Miete, Lohn), 3 Jahre (Schadenersatz), 2 Jahre (Kaufvertrag).

Wichtig: Die Verjährung kann durch Mahnung, Betreibung oder Klage unterbrochen werden. Dann beginnt eine neue Frist.

Verlustschein

SchKG Art. 149

Urkunde, die dem Gläubiger ausgestellt wird, wenn bei einer Pfändung nicht genügend Vermögen vorhanden ist. Der Verlustschein verjährt nach 20 Jahren und gilt als Schuldanerkennung.

Verzug

OR Art. 102-109 | Zins berechnen

Zustand des Schuldners, der eine fällige Leistung trotz Mahnung nicht erbringt. Ab Verzugseintritt schuldet der Schuldner Verzugszins (gesetzlich 5% p.a.) und Ersatz des Verzugsschadens.

Siehe auch: Verzugszins

Verzugszins

OR Art. 104 | Zins berechnen

Zins, den der Schuldner ab Verzugseintritt schuldet. Der gesetzliche Zinssatz beträgt 5% pro Jahr. Ein höherer Zinssatz kann vertraglich vereinbart werden.

Z

Zahlungsbefehl

SchKG Art. 69 ff. | Kosten berechnen

Amtliche Aufforderung des Betreibungsamts an den Schuldner, die Forderung innert 20 Tagen zu bezahlen oder Rechtsvorschlag zu erheben. Erster Schritt im Betreibungsverfahren.

ZGB (Zivilgesetzbuch)

SR 210

Schweizerisches Zivilgesetzbuch. Regelt Personenrecht, Familienrecht, Erbrecht und Sachenrecht. Das Obligationenrecht (OR) gilt als fünfter Teil des ZGB.

ZPO (Zivilprozessordnung)

Schweizerische Zivilprozessordnung. Regelt das Verfahren vor den Zivilgerichten, einschliesslich Fristen, Rechtsmittel, Beweisrecht und Vollstreckung. Seit 2011 schweizweit einheitlich.